Little Kyoto

Eigentlich sollte ich lernen, aber da ich so gut darin bin, alles vor mir herzuschieben, nutze ich meinen freien Nachmittag doch lieber für einen neuen Blogeintrag.

Diesmal möchte ich mich endlich Kanazawa widmen, wo ich den Jahreswechsel verbracht habe. Wie bereits in vorherigen Beiträgen erwähnt, bin ich am 28. aus dem Wohnheim ausgezogen, mit Rucksack, Decke und Kissen nach Kyoto gefahren, wo ich bei Daria im Wohnheim übernachten konnte, ehe wir am 29. gemeinsam nach Kanazawa fuhren.

Wie ich in meinem alten Wohnheim erfuhr, als ich von meiner Reise erzählte, wird Kanazawa auch „Little Kyoto“ genannt, da die Städte sich wohl ähneln sollen. Darauf war ich besonders gespannt, denn ich mag Kyoto ja so sehr. Und nun kann ich sagen: Es stimmt, Kanazawa hat mich wirklich an Kyoto erinnert! Eine wunderschöne Stadt. Klein Kyoto eben 😉

Bahnhof Kanazawa. Ziemlich hübsch! Und da war das Wetter noch gut.

Da wir Studenten sind und Geld sparen wollten, kauften wir uns das seishun 18 kippu, das ich bereits damals einmal im Frühling verwendet hatte. Damit darf man an fünf verschiedenen Tagen frei mit JR-Linien fahren; oder aber man teilt das Ticket auf und hat zum Beispiel eine Fahrt für fünf Personen. Da wir zu zweit waren, hatten wir je zwei Fahrten (geplant für Hin- und Rückweg) und eine würde übrig bleiben. Da wir in Japan angemeldet sind, sind wir leider nicht berechtigt, den JR-Pass zu nutzen, da dieser ausnahmslos für Touristen ist. Daher ist das seishun 18 kippu in der Regel die günstigste Alternative. Pro Fahrt kommt man damit auf 2.500 Yen, was sogar noch unter 20 Euro entspricht. Kann man für längere Wege also durchaus machen. Leider kann man mit diesem Ticket weder Shinkansen noch Schnellzüge nutzen, sodass wir für die Fahrt etwas mehr als vier Stunden brauchten, aber da wir früh losfuhren (zu früh), ging es noch und wir kamen gegen Mittag in Kanazawa an.

Dort bewunderten wir erst einmal den Bahnhof, der ziemlich fancy aussieht, ehe wir uns auf die Suche nach dem Hostel machten. Google Maps leistete uns gute Dienste und so fanden wir es nach rund einer Viertelstunde Fußweg auch schon. Der Besitzer war unglaublich nett und ließ uns früher einchecken; zusätzlich erhielten wir ein kostenloses Upgrade von 8-Betten-Schlafsaal auf 4-Betten-Schlafsaal, den wir aber nur für uns hatten. Offenbar reisen zu Neujahr nicht so viele Leute herum, denn außer uns waren zu dem Zeitpunkt nur noch drei weitere Gäste da.

Allgemein muss ich zu dem Hostel ein paar Worte verlieren, denn es war ungelogen eines der besten Hostels (wenn nicht sogar das beste!), in dem ich je war. Die Atmosphäre war unglaublich familiär, der Besitzer sowie seine Frau mega nett und hilfsbereit und ihre 15 Monate alte Tochter richtig süß. Zwar waren die beiden letzteren nicht immer da, aber abends kamen sie gerne einmal vorbei.

Im Gemeinschaftsraum gab es einen Kotatsu (diese tollen Tische mit Heizdecke, bei denen ich mich frage, wieso es sie nicht in Deutschland gibt) und einen Fernseher, wo wir es uns gerne mal abends gemütlich machten. Überhaupt gefiel es uns dort so gut, dass wir unseren Aufenthalt um einen Tag verlängerten. Dafür kriegten wir sogar einen Freundschaftspreis (yay!) und ein privates Zimmer mit Tatami für die letzte Nacht, denn im Schlafsaal wurde später eine Touristengruppe untergebracht. Wirklich nett, vielen Dank!

Schloss Kanazawa, bzw. ein Teil davon.

Wie ich ebenfalls erfuhr, ist die Präfektur Ishikawa (deren Hauptstadt Kanazawa ist) die verregnetste Präfektur Japans, also quasi so etwas wie das Wuppertal von Japan…  Das erfuhren wir auch schon am ersten Tag, denn während es mittags und am frühen Nachmittag noch sonnig war, fing es zum Abend hin an, heftig zu schütten. Dennoch ließen wir uns davon nicht die Laune verderben und liefen erst einmal zum kenroku-en, einem der berühmtesten und tollsten Gärten Japans, oder so. Ich weiß nicht genau, wonach das ausgesucht wird, wer Genaueres wissen möchte, kann ja mal Wikipedia zu Rate ziehen.

Auf jeden Fall war der Garten sehr schön anzusehen, aber das sind meiner Meinung nach ja so ziemlich alle Gärten in Japan. Er war jedoch ziemlich groß und ich kann mir vorstellen, dass er im Schnee oder im Frühling noch schöner ist. Ganz in seiner Nähe steht auch das Schloss von Kanazawa, das man sich anschauen konnte.

Im kenroku-en. Mit ein bisschen Geduld und Glück kann man doch ein paar lichte Augenblicke abpassen, in denen das Wetter mitspielt und keine 200 Touristen ins Bild laufen.

Da es anfing zu regnen, kauften wir uns Regenschirme und gingen erst einmal essen und später in ein äußerst…interessantes Café. Und wenn ich sage „interessant“, meine ich seltsam. Auf dem Schild stand Café, also dachten wir, wir gehen mal rein, und drinnen erwartete uns ein winziger Raum mit ein paar Stühlen, einem Tresen, dahinter einer uralten Kaffeemaschine und einem noch älteren Mann. Als ich ihn fragte, ob dies das Café war, schien er sich zu freuen, dass sich Leute hierher verirrt hatten, und bejahte – sagte mir jedoch auch gleich, dass es wirklich NUR Kaffee gäbe, keinen Tee oder so. Das war okay, und so setzten wir uns hin. Da erfuhr ich dann auch, dass NUR Kaffee auch hieß, dass es schwarzer Kaffee war, denn Milch oder Zucker gab es auch nicht. Ehm, okay. Preise gab es auch nirgendwo, aber es würde schon kein Vermögen kosten, dachten wir, und bestellten je einen…Kaffee. Dieser kam offenbar auch aus der antiken Kaffeemaschine (die wirklich aussah wie ein Museumsobjekt), was ziemlich interessant war. Der Kaffee schmeckte auch ausgesprochen gut und der nette Mann gab und gleich eine ganze Kanne dazu, während er fragte, wo wir denn herkämen und was uns nach Kanazawa verschlug. So plauderten wir eine Weile und ich muss sagen, irgendwie hatte der Laden was. Mir tat es schon fast leid, als wir später wieder gingen, denn dann saß der Mann wieder alleine in seinem Laden. Als wir uns verabschiedeten und sagten, der Kaffee war lecker, erklärte er uns, dass er jeden Tag zehn Tassen davon tränke, nämlich immer dann, wenn er Hunger verspürte. Okay.

Im Café des alten Mannes.

Wir zahlten (es waren am Ende doch nur 500 Yen, was für eine Kanne gar nicht mal schlecht ist) und gingen wieder in hinaus, in den Regen, schlenderten noch ein wenig durch die Straßen und gingen dann zurück ins Hostel.

Auch an den nächsten Tagen sahen wir uns verschiedene Sehenswürdigkeiten an. Am Folgetag beispielsweise trafen wir uns mit Rina, einer Japanerin, die ich vor drei Jahren in Tokyo im Hostel kennengelernt hatte und die sich freute, dass ich mal in ihrer Heimatstadt vorbeikam. Sie zeigte uns das alte Viertel Kanazawas, einen Samuraidistrikt und dann stiegen wir noch alle auf einen Berg hinauf, da wir die Aussicht genießen wollten. Leider konnten wir die Aussichtsplattform (falls es denn eine gab) nicht finden, sodass wir mehr Bäume und Gräber (ja, da oben war ein Friedhof) sahen, aber trotzdem war es eine witzige Erfahrung. Gegen Abend verabschiedeten wir uns wieder von Rina und gingen noch ein wenig durch Kanazawas Innenstadt, ehe es zurückging. Wir entdeckten nebenbei noch eine „deutsche Bäckerei“ im Bahnhof, die im Grunde aber nur eine Bäckerei wie jede andere war und in der wir beschlossen, am nächsten Tag zu frühstücken.

Ausblick auf den See in Komatsu.

Am folgenden Tag, Silvester, machten wir einen kleinen Ausflug nach Komatsu, eine Stadt in der Nähe von Kanazawa (dafür nutzte einer auch die übrige Fahrt auf dem Ticket und dann teilten wir den Preis für die zweite Karte auf). Dort sollte es einen See geben sowie einen Park, den wir uns ansehen wollten. Der See war wirklich riesig und auch ganz gut zu finden, aber der Park war eher ernüchternd und da es furchtbar kalt war und schon wieder anfing zu tröpfeln, beschlossen wir, ein Einkaufszentrum aufzusuchen (sonst scheint es in Komatsu nicht viel zu geben). Das war nach etwas über einer Stunde Fußweg über Acker und…Acker auch erreicht und wirkte etwas fehlplatziert im verschlafenen Komatsu, denn drinnen war so Einiges los und viele viele Leute. Wir aßen zu Mittag, sahen uns diverse Läden an und beschlossen schließlich, zurückzufahren, da wir im Hostel zu Abend essen wollten und später zu einem Tempel gehen. Netterweise wollte der Besitzer des Hostels toshikoshi (Jahreswechsel) Soba für alle machen, ein Gericht, das man zu Neujahr ist. Soba sind Nudeln, und da die sehr lang sind, sollen sie einem ein langes Leben bescheren, wenn man sie zum Jahreswechsel isst.

Toshikoshi Soba.

Da wir gegen Mitternacht zum Tempel aufbrachen, konnten wir bereits unterwegs die Glockenschläge hören, was leicht gespenstisch war. Um Punkt Mitternacht wird nämlich die Glocke geschlagen, genau 108 Mal, dann ist Schluss. Offenbar stehen die Leute da schon sehr früh an, denn jeder will ja dran kommen, und wenn man Pech hat und Person Nr. 109 ist, darf man nicht mehr. Glücklicherweise nimmt es nicht jeder Tempel so genau, und wir konnten nach einiger Suche einen finden, der uns läuten ließ, yay!

Anstehen für die Tempelglocke.

Dann ging es zurück, denn es war furchtbar kalt. Wir unterhielten uns noch ein Weilchen im Hostel mit den anderen Gästen und gingen dann irgendwann schlafen. An Neujahr ließen wir es gemütlich angehen, denn viel zu tun gab es nicht (haben doch alle Geschäfte geschlossen, bis eben auf Konbinis und Ketten wie Starbucks, Mister Donut etc.).

Auf die restlichen Tage Kanazawa, inklusive Ausflug in ein historisches Dorf, sowie die übrigen freien Tage gehe ich dann aber im nächsten Beitrag ein.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert