Oftmals denke ich mir, dass der Himmel in Japan so schön blau und wolkenfrei ist. Man schaue sich nur die Bilder in meinen letzten paar Einträgen an – man könnte meinen, in Japan scheint immer die Sonne.
Das stimmt nicht ganz. Oft, ja, aber nicht immer. Und schon gar nicht jetzt, wo die Regenzeit angefangen hat und es so gut wie jeden Tag schüttet und man mehr nach Hause schwimmen muss als zu gehen. Und trotz Regenschirm bin ich dann auch von oben bis unten durchnässt, weil der Regen gefühlt aus jeder Richtung gleichzeitig kommt.
Ursprünglich hatte ich mich noch auf die Regenzeit gefreut, da ich mir davon Abkühlung versprach, schließlich ist der Sommer hier so heiß. Aber nun ist es statt einfach nur heiß eben heiß und schwül, was die Sache nicht besser macht… *seufz*
Die Regenzeit (梅雨、gelesen tsuyu und bestehend aus den Kanji für Pflaumen und Regen) fing dieses Jahr für Kyoto am 6. Juni an und geht voraussichtlich bis Ende zur zweiten Juli-Hälfte. Nun regnet es nicht jeden Tag durchgehend, aber eben sehr sehr oft und man ist auf jeden Fall gut beraten, immer einen Regenschirm mit sich zu tragen (und ich habe schon meinen dritten Schirm hier, da ich dazu tendiere, meine Schirme an Bahnhöfen oder sonstwo zu vergessen… ein Grund, nur die billigsten zu kaufen).
Egal, irgendwie werde ich auch das überleben und solange kann ich ja noch ein wenig erzählen, was im Mai so abging.
Wie schon zuvor erwähnt, gab es am 12. und 13. Mai ein Meeting meines Profs und seiner Studenten, zu dem auch Dozenten anderer Unis kamen. Die Studenten (Doktoranden und Master-Studis) sollten ihre eigenen Forschungsprojekte vorstellen und bekamen dann Tipps und Ratschläge von den Dozenten. Nun habe ich mit Geografie nicht viel zu tun, aber dennoch wurde ich eingeladen, mitzukommen, und da man zu seinem Prof nicht „Nein“ sagt, ging es für mich ebenfalls nach Nagano nordöstlich von Kyoto (eigentlich schon näher an Tokyo dran). Für die Anfahrt musste jeder selbst sorgen, allerdings sollten wir das Geld im Nachhinein erstattet bekommen – aber da meine Tutorin und ich nicht so gerne 200 Euro für den Shinkansen vorstrecken wollten, entschieden wir, mit dem Nachtbus nach Nagano zu fahren. Das hieß zwar, dass wir statt zwei Stunden knapp sieben Stunden in eine Richtung brauchten und somit bereits am Freitagabend losfuhren, aber immerhin haben wir dadurch am Ende auch ein Plus gemacht, da die Erstattung offenbar von einer Pauschale ausging und der Nachtbus entsprechend günstiger war. Hurra!

Da wir gegen 22 Uhr in Kyoto abfuhren, kamen wir um 5 Uhr morgens in Nagano an und stellten fest, dass es dort nichts gab. Irgendwie schienen wir in einem verschlafenen Dorf angekommen zu sein, in dem nicht einmal McDonald’s geöffnet hatte, damit wir uns die Zeit bis zu unserem Zug (der uns noch weiter in die Pampa fahren würde) vertreiben konnten. Da nichts offen hatte (auch nicht das Karaoke am Bahnhof), beschlossen wir, in einem Manga-Café (vergleichbar mit einem Internet-Café) zu warten, bis die ersten Cafés öffneten.

Manga-Cafés sind vor allem bei jungen Leuten und Reisenden relativ beliebt, um sich für einige Zeit irgendwo einzuquartieren. Man kann sich aussuchen, ob man einfach nur an einen Sitzplatz haben möchte oder eine Art kleines Privatzimmer mit Computer. Oftmals gibt es auch noch Duschen und kostenfrei Getränke, sodass es eine gute Möglichkeit ist, wenn man Wartezeit zu überbrücken hat und nachts nicht irgendwo draußen herumlungern möchte. Der Name rührt übrigens daher, dass es dort eben auch viele Regale mit Manga gibt, die man lesen kann, wenn man möchte. Da meine Tutorin und ich sehr müde waren (und sie ihre eigene Präsentation noch fertigstellen musste), buchten wir ein kleines Zimmer für drei Stunden und während ich vor mich hin döste, arbeitete sie an ihrem Vortrag. Das Ganze kostete gerade einmal ein paar Hundert Yen (vielleicht 3 oder 4 Euro), ehe wir uns aufmachten, in einem Café zu frühstücken (bzw. ich weiter zu dösen). Zwar konnte ich nicht lange schlafen, da ich von einem verhältnismäßig starken Erdbeben aufgeweckt wurde (5 irgendwas) bzw. eher von den Handys der Japaner um mich herum, die Warntöne von sich gaben, aber hey, nun habe ich wenigstens auch mein erstes Erdbeben für dieses Jahr erlebt. Kyoto wird ja echt selten von Erdbeben heimgesucht, eigentlich gibt es hier nicht wirklich welche. Auch Taifune sind selten und da Kyoto nicht am Meer liegt, wird man auch von Tsunamis verschont – eigentlich ein sehr sicheres Plätzchen hier.

Gegen 11 Uhr nahmen wir dann den Zug in die Pampa, in der es außer einem Bahnhof und einer Bushaltestelle nicht viel gab und von wo wir mit dem Auto abgeholt und noch weiter in die Pampa (in den Bergen) gefahren wurden, bis wir schließlich an einem Häuschen ankamen, in dem wir für zwei Tage hocken würden. Da meine Tutorin und ich auch die einzigen Studentinnen dort waren, bekamen wir ein Zimmer zu zweit, während die anderen sich teilweise zu sechst oder acht in eines quetschen mussten.
Insgesamt war das Meeting ganz interessant und wir lernten auch ein wenig über das lokale Essen und unternahmen kurze Ausflüge in die Natur, aber am Ende war ich doch ganz froh, als es zurück ging, da ich es etwas anstrengend fand, mit Leuten unterwegs zu sein, die ich kaum kenne (bis auf meine Tutorin hatte ich eigentlich mit keinem der Studenten wirklich viel zu tun). Am letzten Tag hatten wir noch viel Zeit zu unserem Nachtbus, sodass ein Student und meine Tutorin vorschlugen, ein Auto zu mieten und damit ein wenig die Gegend zu erkunden. Und mit dem Auto kommt man nun einmal weiter als zu Fuß oder per Zug, so konnten wir wenigstens in eine Stadt fahren und uns dort ein paar Tempel und Schreine anschauen; doch da es regnete, hielten wir unseren Ausflug kurz, auch wenn ich es interessant fand, ein paar Schreine und Tempel in der Natur und in den Bergen anzuschauen.

Am Montag gegen 5 Uhr kamen wir dann auch schon wieder in Kyoto an und aßen erst einmal Râmen (japanische Nudelsuppe) zum Frühstück, nom. Da mein Schlafrhythmus komplett im Eimer war (ich konnte im Bus überhaupt nicht schlafen), ging ich daheim gegen 8 Uhr erst einmal ins Bett und schlief den halben Tag. Wie gut, dass ich montags keine Uni habe!
Ansonsten unternahm ich im Mai nicht mehr viel. Einmal traf ich meine Gastfamilie, wobei „Familie“ ein wenig zu viel gesagt ist, da Minako-san die meiste Zeit alleine ist, da ihr Mann in Thailand arbeitet und nur während des Urlaubs zurückkommt. „Gastfamilie“ bedeutet hier auch nicht, dass man bei einer japanischen Familie wohnt, sondern dass diese einem hilft, sich im Alltag zurechtzufinden und zu verschiedenen Events einlädt. Die Organisation, die dahinter steckt, organisiert auch monatliche Aktivitäten wie Spaziergänge durch alte Stadtteile oder auch japanische Koch-Kurse, an denen Austauschstudenten teilnehmen können. Ich habe erst dieses Semester davon erfahren und mich gleich mal angemeldet und dadurch Minako-san kennengelernt, die sogar acht Jahre in Deutschland gelebt hatte. Aktuell betreut sie drei Studenten und hat uns schon ein paar Mal mitgenommen, uns Sehenswürdigkeiten in Kyoto anzuschauen und einmal haben wir auch bei ihr daheim zu Abend gegessen. Ich finde es eine tolle Sache, da man so auch mal von Einheimischen ein wenig etwas über Kyoto erfährt!

Ansonsten gab es noch eine kleine Exkursion mit meinem Prof und seinen Studenten in den Osten von Kyoto, nach Kameoka, wo es nichts als Berge und Natur gibt. Während die Geografen sich Steine angesehen haben, habe ich lieber Fotos von allem gemacht, was ich interessant fand. Kameoka ist definitiv ein Geheimtipp, falls man mal in Kyoto ist – so viel Grün habe ich nur selten gesehen! Am Nachmittag dann grillten wir bei meinem Prof im Garten und abends ging es noch einmal raus, Glühwürmchen anschauen. Eines landete sogar auf meiner Hand und blieb eine Weile sitzen und leuchtete, ehe es einem Kommilitonen ins Gesicht flog 😛