Jetzt ist es schon fast vier Monate her, seit ich zuletzt etwas geschrieben habe… Zu meiner Verteidigung muss ich aber sagen, dass ich drei Monate lang auch kaum etwas machen konnte und ich denke, die meisten wissen, warum: Corona.
Daher möchte ich kurz etwas zur Situation in Japan sagen, ehe ich mit dem Beitrag fortfahre: In Japan kam die „Corona-Krise“ ein wenig später als in Deutschland, denke ich. Ende März stiegen die Infektionszahlen in einigen Präfekturen (hauptsächlich in der Kantô-Region, also Tokyo und Umgebung) stark an, sodass die Regierung einige Maßnahmen beschloss. Anstelle aber wie in Deutschland auf Verbote und Pflichten zu setzen, wurden hier nur Empfehlungen ausgesprochen; Masken trägt sowieso jeder, ohne ihn dazu zu zwingen, und Geschäfte setzten Abstandsregeln von sich aus um.
Restaurants, Pachinko-Hallen, Karaoke, Fitnesscenter und andere öffentliche Einrichtungen wie Parks etc. wurden für mehrere Wochen geschlossen und die Menschen dazu angehalten, nicht zu weit rauszufahren und möglichst auch daheim zu bleiben. Auch unsere Firma schloss – erstmals wurde auch Praktikanten erlaubt, von daheim zu arbeiten. Zwei Monate lang Home Office, ehe die Lage sich besserte.
Mittlerweile ist fast alles wieder offen – bis auf die Grenzen, was uns bei der Arbeit vor einige Probleme stellt, da wir im Ausland feststeckende Mitarbeiter haben. Seit Anfang Juni konnte auch die Firma wieder öffnen, allerdings herrscht im Büro Maskenpflicht und wir sollen nur zweimal die Woche kommen und an den anderen Tagen von daheim arbeiten. Ich frage mich, ob bis zu meiner Abreise im September wieder so etwas wie Normalität einkehren wird, bezweifle es aber leider.
Ja, September. Ich hatte es hier noch gar nicht erwähnt, auch wenn die meisten natürlich Bescheid wissen: Mein Praktikum wurde um fünf Monate verlängert. Das ist auch der Grund, warum ich nicht wie ursprünglich geplant im Mai (übrigens wurde mein ursprünglicher Flug abgesagt), sondern erst im September zurückfliege.
Ich weiß noch, wie meine Chefin mich im Januar fragte, ob ich mir vorstellen könne, etwas länger zu bleiben. Der Hintergrund war der, dass zu der Zeit mehrere Mitarbeiter in andere Abteilungen wechselten und die neuen erst im August zu uns kommen, sodass für einige Zeit zu wenig Leute da waren. Ich musste das natürlich erst mit der Uni abklären, die aber glücklicherweise kein Problem damit sah. Auch mein Professor sagte, es sei ein guter Grund, die Masterarbeit zu verschieben, und dass ich die Gelegenheit unbedingt wahrnehmen sollte. Meine Chefin fragte, ob ein halbes Jahr in Ordnung ginge, und da ich nicht wirklich mitten im Semester wechseln wollte, passte mir das auch sehr gut. Nun sind wir also zwei Praktikantinnen in der Abteilung, da meine Nachfolgerin im März kam.
Ich bin infolgedessen auch Ende März umgezogen, aus Kawasaki heraus nach Tokyo. Das neue Sharehouse ist deutlich günstiger und auch näher an der Arbeit, warum also nicht? Die Zimmer sind etwas kleiner, aber mir fiel damals auf, dass ich eigentlich nur zum Schlafen daheim war. Dass sich das nun geändert hat, konnte ich damals leider nicht absehen. Aber die Mitbewohner sind alle nett und da wir auch nur zu viert auf der Etage sind, ist das alles nicht so anonym und man kann immerhin ein wenig plaudern. Den März und April habe ich daher damit verbracht, die Gegend hier zu erkunden und viel spazieren zu gehen. Die Gegend ist wirklich hübsch, wie die nächsten Fotos sicherlich zeigen werden. Sogar eine kleine Okinawa-Straße gibt es 😉
Nun aber genug palavert! Was habe ich alles gemacht nach der Neujahrsreise und bevor Corona so ziemlich alles lahmlegte?

Zunächst einmal war ich eine Woche nach unserer Rückkehr Mitte Januar, am 18. Januar, mit ein paar Freunden Sumo angucken. Eigentlich war es der gleiche Trupp von der Reise – wir hatten die Pläne schon unterwegs gemacht, da zu dem Zeitpunkt gerade irgendeine Meisterschaft stattfand und wenn man schon in Tokyo ist, möchte man sich das ja zumindest einmal anschauen. Tickets auf hinteren Plätzen sind auch gar nicht so teuer. Wie wir jedoch alle wissen, stellen sich Leute in Japan wahnsinnig gerne an und so war es auch hier so geregelt, dass man sich für die Karten anstellen musste und wer zu spät kam, ging leer aus. Für uns heißt das natürlich: In aller Frühe hinaus und aufstellen! Dafür übernachteten wir in einem Manga Café in der Nähe der Halle, nur um noch vor 5 Uhr morgens aufzustehen. Ich bekam wie so oft kein Auge zu (warum stehe ich eigentlich immer so früh auf, wenn ich in Japan bin?) und war dementsprechend fertig, als wir uns dann im winterlichen Morgen (bzw. Nacht, es war noch dunkel) anstellen. Zu allem Überfluss regnete es noch und wir froren fürchterlich, aber was tut man nicht alles, um ein paar übergewichtigen Menschen beim Ringen zuzusehen? Aber immerhin bekamen wir Karten.
Allerdings sollten die Wettkämpfe erst nachmittags beginnen, weshalb wir zuerst frühstückten und dann ins Edo-Tokyo-Museum gingen, das ganz in der Nähe war. Dort konnte man sich ansehen, wie Menschen im alten Tokyo lebten, dessen alter Name eben Edo ist. War sehr spannend! Wir konnten sogar eine Rakugo-Aufführung erleben – das ist eine Art Comedy, die von nur einer einzigen Person in Form von Monologen aufgeführt wird. Dafür muss der Darsteller natürlich die Stimme verstellen, aber wenn er das gut macht, ist es sehr witzig. Als Requisiten stehen ihm nur ein Fächer und ein Tuch zur Verfügung – sehr minimalistisch also. Ich hatte das bisher nur im Video gesehen, fand es in real aber sehr interessant und auch gut gemacht, da es wirklich witzig war. Hab mich sehr über die Gelegenheit gefreut!
Am Nachmittag gingen wir dann wieder hinaus, aßen kurz zu Mittag und machten uns auf zur Sumo-Halle, die sich langsam füllte. Glücklicherweise hatten wir unsere Sitze in bester deutscher Manier mit Handtüchern (ohne Witz, wir hatten ja im Manga Café übernachtet…) markiert, sodass sie noch frei waren. Übrigens reservieren Japaner ihre Sitze vorwiegend mit Regenschirmen, wie ich bemerkte.
Zu den Kämpfen selbst gibt es nicht viel zu sagen. Es waren wohl viele populäre Sumo-Ringer da, aber da ich niemanden kannte, jubelte ich einfach bei allen ein bisschen mit. Vor den Kämpfen gab es eine Art Ritual, bei dem jeder, der den Ring bestiegt, seine Hände mit Mehl (?) bestäubte, vielleicht, um besseren Halt zu haben. Dann stompte jeder ein bisschen herum, ehe es losging. Nicht nur einmal fiel einer der Kämpfer aus dem Ring und ich glaube, als Zuschauer ganz vorne hätte ich Angst gehabt, wenn so ein Klops auf mich drauffiele^^
Auf jeden Fall war es eine Erfahrung, das mal in live zu sehen. Ich war überrascht, wie voll es auch in der Halle war, offenbar ist Sumo doch sehr beliebt in Japan, wenn auch vielleicht nicht so sehr wie Baseball oder Fußball.
Dann war ich im Februar noch auf einer Ausstellung zum Thema digitaler Kunst in Odaiba. Klingt langweiliger als es ist 😉 Vielleicht mag sich jemand daran erinnern, dass ich 2018 mal von kurz einer solchen Ausstellung in Osaka erzählt habe. Dabei werden mithilfe von unzähligen Projektoren, Bildschirmen und Spiegeln Kunstwerke an die Wände und Böden projiziert, sodass man sich fühlt wie in einer Parallelwelt. Oftmals sind diese Ausstellungen nur temporär; in Tokyo gibt es jedoch zwei permanente und ich habe mir im Februar die größere davon angeschaut, die sich „Borderless“ nennt. Es gibt noch eine namens „Planets“, die ich sehr gerne einmal sehen würde, was aktuell aber leider nicht so einfach ist.
„Borderless“ bestand aus mehreren Räumen, die alle thematisch ein wenig unterschiedlich waren und sich je nach Uhrzeit auch leicht änderten. So wurden in einem Raum Schmetterlinge gezeigt, in einem anderen musste man sich zwischen „Bäumen“ hindurchschlängeln, mal gab es Vögel, die durch die Gegend flogen und dazu im Rhythmus zu Musik pulsierten, dann hingen bunte Laternen von der Decke… Auf jeden Fall war es sehr spannend gemacht. Es gab auch einen Raum, der etwas ruhiger war und wo nicht alles leuchtete. Dort konnte man als Besucher eine Form (Fische, Pflanzen oder kleine Tiere) bunt ausmalen und an einen Mitarbeiter geben, der das Bild dann einscannte. Und dann tauchten diese bemalten Tiere an den Wänden oder dem Boden auf! Und wenn man dann auf die projizierten Pflanzen und Tierchen am Boden drauftrat, gab es eine Blütenexplosion. Ich war sehr fasziniert davon.
War also sehr schön anzusehen. Ende Februar war ich nochmal in so einer ähnlichen Ausstellung einer anderen Gruppe, die sich „Flowers“ nannte, und Anfang März sahen wir uns erst Pflaumenblüten und dann Kischblüten an. Darauf möchte ich im nächsten Beitrag dann eingehen – und danach kam eigentlich auch schon Corona. Aber da es mittlerweile etwas ruhiger ist, denke ich, dass ich bald wieder mit aktuelleren Erzählungen folgen kann.